Missbrauch
Missbrauch in einer Therapie erkennen
Es ist natürlich nicht möglich, allgemein verbindliche Hinweise auf sich anbahnenden Missbrauch durch Therapeuten zu geben.
Jede therapeutische Beziehung ist etwas sehr Individuelles und unabhängig vom jeweiligen Therapieverfahren. Dennoch gibt es gewisse Warnsignale, erste missbräuchli- che Überschreitungen der therapeutischen Grenzen, die von vielen Betroffenen übereinstimmend berichtet werden.
Nicht jedes einzelne muss darauf hindeuten, dass sich ein sexueller Missbrauch anbahnt, auch müssen nicht alle in jedem Fall vorliegen.
Warnzeichen für einen sich anbahnenden sexuellen Missbrauch können sein:
kleine, zunächst unauffällig wirkende Überschreitungen der beruflich-therapeutischen Beziehung:
- Verlegung der Sitzung auf die letzte Stunde am Abend
- Überschreiten der vereinbarten Sitzungszeiten
- private Verabredungen, z. B. Café oder Restaurant
- zum Duzen übergehen
- der Therapeut spricht zunehmend von sich und seinen persönlichen Problemen, wie zu einer persönlichen Vertrauten
In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass Sie auf Ihre eigenen Gefühle achten.
In manchen besonders schwierigen Situationen kann es therapeutisch angebracht sein, dass der Therapeut einfließen lässt, dass er derartige Probleme auch kennt, um Ihnen zu verstehen zu geben, damit nicht allein zu sein.
In diesem Fall stehen weiterhin Sie mit Ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt. Anders ist es, wenn der Therapeut sich selbst und seine persönliche Situation zunehmend in den Vordergrund stellt.
Zumeist beginnt er von seiner schwierigen Ehe/Partnerschaft, seinen Krankheiten und sonstigen Nöten zu sprechen, die bei Ihnen Gefühle von Mitleid und Sich-kümmern-Müssen auslösen.
Der Therapeut gibt Ihnen das Gefühl, für ihn persönlich etwas „Besonderes“ zu sein, was Sie u. U. sehr erfreut und stolz macht.
- Sie bekommen den Eindruck, dass die berufliche Beziehung immer mehr in ein unangemessenes persönliches Verhältnis übergeht.
- Die „besondere“ Beziehung zum Therapeuten wird zum „gemeinsamen Geheimnis“ erklärt.
- Der Therapeut behauptet, seine sexuelle Beziehung zu ihm sei heilsam, sei Bestandteil der Therapie, z. B. um Hemmungen zu überwinden oder ein besseres Selbstwertgefühl als Frau zu erlangen.
- Sexuelle Anzüglichkeiten oder Witzeleien des Therapeuten.
- Der Therapeut bietet Ihnen in den Sitzungen Alkohol oder unerlaubte Drogen an.
- Der Therapeut fordert Sie auf, sich auszuziehen, obwohl es vorher nicht vereinbart war. (Intime Bereiche bleiben grundsätzlich, auch in Körpertherapien, bekleidet.)
- Der Therapeut fordert Sie zu körperlichem Kontakt auf, den Sie nicht wünschen. Körperkontakt ist in einigen Therapieverfahren zwar ausdrücklich vorgesehen, wie z. B. bei der Körpertherapie, jedoch nur soweit Sie einverstanden sind und niemals als sexuell-erotische Berührung. Andere Therapieverfahren wie Psychoanalyse, Gesprächspsychotherapie und Verhaltenstherapie arbeiten normalerweise ohne körperlichen Kontakt. Erkundigen Sie sich gegebenenfalls bei dem entsprechenden Therapieverband.
- Der Therapeut beendet die Therapie und nimmt stattdessen persönlichen Kontakt auf.
Sollten Sie ein ungutes Gefühl in dieser Richtung haben, wäre der erste und wichtigste Schritt, diesen Eindruck gründlich und ohne Rücksicht darauf, ob es den Therapeuten eventuell verletzen könnte, mit ihm zu besprechen. Ebenso wenig sollten Sie aus Angst, seine Zuneigung zu verlieren, vor einer klaren Aussprache zurückschrecken. Vergessen Sie nicht, auch wenn es im Moment sehr schwer zu sein scheint: Sie können notfalls jederzeit den Therapeuten wechseln. Vor allem: Nehmen Sie Ihre Gefühle und Zweifel ernst. Es geht um Ihre Gesundheit. Auch wenn Sie die Patientin sind, müssen Ihre Bedenken keineswegs Folge Ihrer persönlichen Probleme sein.
Wenn Sie mit Ihrem Therapeuten zu keiner befriedigenden Klärung Ihrer Sorgen kommen können, fragen Sie andere anerkannte Therapeutinnen oder Therapeuten um Rat, wenden Sie sich an Beratungsstellen, die zuständigen Therapieverbände oder Ihre Krankenkasse.